Dieser Artikel erschien im Original in der aktuellen Stadtkindausgabe – April 2021
(please: support your local und kaufe das Stadtkind)
„Mein Freund, der Baum“ ist ein sehr bekannter Song der Schlagersängerin Alexandra. Doch wie freundschaftlich sind wir wirklich mit den Bäumen in unserer Stadt? Wie sehr wertschätzen wir sie dafür, dass sie uns den Sauerstoff „zurückschenken“, den wir so dringend zum Leben brauchen?
Zum Beispiel Hannover
Ungefähr 46.000 Straßenbäume sind im Stadtkern Hannovers beheimatet. Oft unbeachtet stehen sie am Straßenrand inmitten von Asphalt, werden häufig sogar wie selbstverständlich als „Mülleimer“ missbraucht. Auch der Klimawandel macht ihnen zu schaffen; manchmal zu sehen daran, dass sie im Sommer ganz fad aussehen, ihre Rinde abfällt, die Blätter vertrocknen. Denn viel Platz, um sich Wasser aus dem Boden zu holen, bleibt ihnen nicht. Der Asphalt versperrt ihnen den Weg.
Doch Bäume – gerade Bäume in der Stadt – sind wertvoll, denn sie unterstützen dabei, die so dringend notwendige Klimaneutralität zu erlangen, um dem Klimawandel Einhalt zu gebieten.
Unsere Bäume sind also unsere Freund*innen und schützenswert. Ein Mittel, sich der Bäume anzunehmen, sie zu Freund*innen zu machen, sind Baum(scheiben)-Patenschaften.
Wie wird man Baumpate?
Das geht ganz einfach. Erste Infos liefert der Fachbereich Umwelt & Stadtgrün auf seiner Website. Wenn der Lieblingsbaum in der Nachbarschaft identifiziert ist, dann gilt es seine Nummer ausfindig zu machen, die dezent am Stamm markiert ist. Diese Nummer oder auch die Straße mit der Hausnummer, an der der Baum sich befindet, braucht „Umwelt und Stadtgrün“, um die Patenschaft zuzuordnen.
Baumpatin Marie erzählt…
„Eine Baumpatenschaft ist gar nicht so aufwändig, wie ich es mir immer gedacht habe“, weiß Marie-Claire Jovanovic (30) zu berichten, die im vergangenen Sommer eine Patenschaft für Flori, eine Robinie in der Leinaustraße, übernommen hat. „Ich räume so alle ein bis zwei Wochen den Müll weg, der sich dort ansammelt: Zigarettenkippen, Glasscherben und Ähnliches. Anfangs haben wir etwas Erde aufgeschüttet. Gießen musste ich noch nie. Im Herbst habe ich Tulpen und Krokusse gesetzt, die kommen gerade hoch“, erzählt sie.
Marie fühlt sich von der Stadt gut betreut. „Die Stadt hat mitgeteilt, welche Baumart ich mir ausgewählt habe und hat mir dann auch gleich erste Pflegetipps gegeben.“
Mittlerweile helfen auch Maries Nachbarn mit und halten den Baum sauber. Andere Nachbarn fanden die Idee so gut, dass sie sogar einen eigenen Baum „adoptiert“ haben. Marie bekräftigt: „Ich finde das für alle Menschen ideal, für die es zu aufwändig ist, einen Garten oder Balkon zu pflegen. Außerdem ist es voll kommunikativ. Immer wenn ich auf meinem kleinen Schaumstoffbrettchen neben „meinem“ Baum sitze, werde ich angesprochen.“ Ein negatives Erlebnis hatte Marie, dann aber doch: „Neulich kam ein Mann vorbei, der mir seinen Müll überreichte, damit ich ihn an den Baum stelle. Das hat für mich nochmal sehr deutlich vor Augen geführt, wie achtlos wir mit der Natur umgehen.“
Baumpatenschaften sind voll im Trend.
„Im vergangenen Jahr haben wir 50 Prozent mehr Baumpatenschaften vergeben als im Vorjahr“, erläutert Antje Laufer vom Fachbereich Umwelt und Stadtgrün. „Der Klimawandel macht sich bemerkbar, und da ist es sehr gut, dass sich wieder mehr Menschen um unsere Bäume kümmern.“ Ein Anliegen ist es für den Fachbereich auch, Grünflächen zunehmend insektenfreundlicher zu bepflanzen.
„Das wollen wir in diesem Jahr deutlich forcieren“, sagt Laufer und teilt noch ihr persönliches Erleben: „Wenn ich durch die Stadt fahre zu Ortsterminen, entdecke ich immer neue begrünte und blühende Baumscheiben. Ich freue mich, dass es demnächst noch viel bunter wird in Linden und den anderen Stadtteilen. Es gibt mittlerweile übrigens auch zehn Freundschaftshaine verteilt über die Stadt, in denen Bürger*innen einen Baumpflanzen können aus einem bestimmten Anlass. Auch hier bricht die Nachfrage nicht ab. Allerdings haben wir derzeit keine weiteren Flächen in Aussicht.“
Straßenbäume sind unsere Luftkraftwerke
Die 1.000 Baumpatenschaft für einen Baum in Hannover hat ausgerechnet StreetArt-Künstler Joy Lohmann übernommen. Der setzt sich u.a. gerade mit dem Klimaschutzprojekt „MehrWert-Laden.de“ für mehr Stadtbegrünung ein und entwickelte im Sommer 2020 in einem Workcamp Selbstbau-Möbel und Ausstattungselemente für Baumschauben.
Zur unverhofften Publicity sagt Joy Lohmann: „Unsere Jubiläums-Baumpatenschaft ist ja fast ein Wink des Schicksals. Straßenbäume sind nicht nur unsere lokalen Luftkraftwerke, sie senken auch die Sommertemperaturen, bringen Menschen zusammen und schaffen Atmosphäre. Mit den Baumpatenschaften wurde mir klar, dass eigentlich viel mehr die Bäume unsere Paten im Kiez sind, für ein gesundes, freundliches Stadtteil-Klima.“
Lohmann betreut Robby, die Robinie, die auf der Limmerstraße/Haltestelle Leinaustraße ihre Wurzeln geschlagen hat. Seine Vision: Gerade in Corona-Zeiten können Bäume zu neuen Treffpunkten werden, die uns Kraft spenden und soziales Miteinander befördern.