Von einem, der gegen Grüne, „Woke-Wahnsinn“ und die „Mainstream-Medien“ hetzt und damit die Demokratie unterminiert

Dieses Posting ist gewissermaßen eine Fortsetzung meines gestrigen Postings zum Thema „Umgang mit den hitzigen Debatten dieser Tage“.

Denn ja, es gibt da so ein paar konkrete Medien, bei denen sich mir die Nackenhaare aufstellen.

Weil sie hetzen und ihre Reichweite vornehmlich daraus ziehen, „Sündenbocke“ zu finden, andere Menschen und Gruppierungen zu diskreditieren und zu verhöhnen. Ganz schlechter Stil; so gehen Populist*innen vor. Mit konstruktiver Kommunikation, die es in diese herausfordernden Zeiten braucht, hat das ZERO zu tun. Hier geht’s nur ums Schlechtmachen und null um Lösung. Meckern und sich lustig machen, ist leicht. Mit einem Weitergehen hat das allerdings wenig zu tun.

Allen voran geht hier Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt,

der vor einigen Monaten mit einem YouTube-Kanal gestartet ist und vor kurzem eine Ausweitung seiner medialen Aktivitäten angekündigt hat. (Laut NZZ hat er einen Milliardär als Investor im Rücken.)

Julian Reichelts einziges Thema: Draufhaufen und andere fertig machen:

Die „grünen Ideologen“, die „woke Szene“ und die öffentlich-rechtlichen „Mainstream-Medien“ mit ihren „Zwangsgebühren“.

Dabei bedient er sich populistischer Begrifflichkeiten, schließt aus Einzelbeispielen gleich auf eine ganze Partei, Gruppierung („DIE sind SO.“), verfälscht, vereinfacht, verhöhnt. Bitte nimm das nicht für bahre Münze.

Keine Frage, die Regierung, die „Politik“ macht nicht alles richtig. Da ist jede Menge Luft nach oben. Und ja, auch die öffentlich-rechtlichen Medien gehören reformiert. Doch das gilt es differenziert und konstruktiv zu betrachten. Draufhauen (obendrein vereinfachend und verfälscht) bringt uns nicht weiter.

„Egal, was meine Wähler denken“

In der gestrigen Sendung widmete sich Julian Reichelt dem Baerbock-Ausspruch: „Egal, was meine Wähler denken.“. Eine Steilvorlage für Reichelt, sich erneut über die „grünen Ideologen“, die es nicht begriffen haben, lustig zu machen.

Ein Transkript von Annalena Baerbocks Beitrag zeigt jedoch, dass dieser Ausspruch in einem Kontext steht, dass er eben nicht als Fauxpas zu verstehen ist, sondern eher sogar als verantwortungsvoll und authentisch.

Julian Reichelt ist NATÜRLICH Kommunikationsprofi, also gaukelt er vor: Selbst wenn man Baerbocks Zitat kontextualisiere, verbleibe die Aussage problematisch und zeuge von Baerbocks Arroganz und ihrer Ignoranz gegenüber dem Wählerwillen. 

DIE GRÜNEN SIND SO

Einmal ein Zitat aus Julian Reichelts aktuellem Beitrag.

Er sagt – wieder in verallgemeinerndem Stil „DIE GRÜNEN“ also einfach mal ALLE über einen Kamm geschert:

„Grüne wollen aus Angst vor der Apokalypse, die sie sich selbst einreden, keine Kinder mehr in die Welt setzen.“

Das geht schon in die Richtung, den Klimawandel zu leugnen, auch wenn Julian Reichelt das natürlich geschickt umschifft, indem er das nur andeutet und den Begriff nicht verwendet. Damit fischt Reichelt im Milieu der Rechten und Klimawandelleugner und gewinnt sie für seinen Kanal.

Der vermeintliche Pakt zwischen Medien und Politik

In anderer Hinsicht wird Julian Reichelt dann wieder sehr deutlich und benutzt bewusst scharfe Begriffe – mit der Intention, Bilder eines entstehenden Überwachungsstaates zu erzeugen, in dem Politik und Medien miteinander paktieren. Reichelt sagt:

„Inzwischen sind die Medien Teil der politisch-gesellschaftlichen Sprachkontrolle geworden. … Die Bürger sollen gendern, aber sich selbst nicht mehr als besorgt bezeichnen. Wenn Sie sich besorgter Bürger nennen, dann sind Sie ein Nazi. … Sie sollen sagen, was DIE wollen.“

Sprachkontrolle? Sprachpolizei?

Aha. Nein, wir sind frei. Und natürlich gibt es gerade eine recht engagierte Debatte darum, wie sich unsere Sprache verändern darf, damit sie den Entwicklungen unseres Bewusstseins und der damit einhergehenden sich verändernden gesellschaftlichen Realität gerecht wird – der Wahrnehmung, dass wir individuelle Wesen sind, mit mehr als zwei Geschlechtern, dass jeder Mensch gleichberechtigt ist und sich seiner Neigung entsprechend würdevoll entfalten darf. Das wird sich in Sprache niederschlagen, die Sprache wird ihren Weg finden. Und ja, das verunsichert und irritiert.

Julian Reichelt benutzt diese Verunsicherung.
Er verwendet die Werkzeuge von Populist*innen – dem Vorbild von Fox News folgend)
Mich besorgt, dass Julian Reichelts Kanal wächst.
Seine Hetze kann-wird Konsequenzen haben, unser Land weiter spalten.

Deswegen: Bitte sei achtsam.

Was wir brauchen ist: Besonnenheit. Konstruktive Kritik. Lösungsorientierung. Miteinander.

Die Zeit der Sündenböcke und des Populismus ist vorbei. Wir brauchen sie nicht mehr.

Lass uns clever sein und bei diesem Vereinfachungsspiel nicht mitmachen.

 

PS: Danke, wenn du diesen Beitrag teilst.

PPS: Lies auch den profunden NZZ-Artikel zu Julian Reichelts Kanal: «Achtung, Reichelt!» – Wie der ehemalige «Bild»-Chefredaktor mit Tiraden gegen die Grünen Quote macht