Ein Plädoyer für integre Formen der Persönlichkeitsentwicklung

„Netter Stimmungsaufheller oder gefährlicher Manipulator – was von beidem ist Tobias Beck? Es ist wohl so, wie Sektenexperte Schäfer gesagt hat: Vieles von dem, was Beck tut, liegt im Graubereich. Ein bisschen Therapie, ein wenig Gruppendruck, ein Hauch von Guru. Alles grenzwertig, aber eben nicht strafbar.“
(aus dem Artikel: „Die Euphoriker“ von Anette Dowideit, erschienen in der Welt am Sonntag vom 16.02.2020)

Vielleicht hast auch Du bereits etwas zu der „Causa Tobias Beck“ gehört, die die Coachingszene bewegt, seit in der aktuellen Ausgabe der WELT am Sonntag der Artikel „Die Euphoriker“ erschien, der die Coaching- und Speakerszene – dabei vor allem Tobias Beck – kritisch betrachtet. Vielleicht hast Du ihn sogar gelesen. Das Thema bewegt mich wirklich sehr. Denn eigentlich treibt mich bereits seit einigen Monaten eine ganz andere Beobachtung um, die ich nun gern teilen mag.

Warum beschäftigt mich diese Angelegenheit so sehr?

Ich finde: Die Debatte rund um diesen Artikel reicht so tief, und sie sagt so viel darüber aus, wie WIR als Gesellschaft miteinander umgehen, was uns miteinander fehlt. Sie berührt so einige kollektive Glaubenssätze. Es geht um unser Vertrauen und Misstrauen. Um unsere Werte. Um unser Menschenbild. Um die Art und Weise unserer Kommunikation (dabei auch: um unseren Journalismus und wie wir ihn gebrauchen). Es geht um Mangel und Fülle. Um Schuldzuweisungen, Erwartungen und Selbst-Verantwortung.

Es geht darum, ob wir einander erheben oder erniedrigen, ob wir voneinander lernen, für neue Begegnungen und Beziehungen wirklich bereit sind – oder auf dem Alten beharren und Vorannahmen bestätigt sehen wollen. Es geht um unseren Sinn. Den, den so viele von uns verloren haben.

Wanted back: Sinnstifter*innen und Glücksbringer*innen

Ja, viele von uns fühlen sich so orientierungs- und haltlos, weil die alte Welt gerade zusammenfällt.

Die Erde brennt, nicht nur weil der Klimawandel längst im Gange ist.

Wir sind dieses „Höher, schneller, weiter“, das den monetären Profit ins Zentrum unseres Schaffens stellt, so leid. Wir sehnen uns nach (Er-)Lösung aus dieser Leere, denn wir erfahren, dass ein Mehr an Geld allein uns niemals glücklicher macht. Auch Sinn lässt sich nicht erkaufen. Außerdem sehen wir unsere intellektuellen Felle davon schwimmen, spüren, dass wir mit reinem Verstand den Herausforderungen unserer Zeit nicht mehr gerecht werden. Auch bisherige religiöse und spirituelle Glaubenskonzepte greifen schon längst nicht mehr.

Der Schmerz vieler Menschen ist so groß, dass wir dafür in Summe allein im deutschsprachigen Raum Milliarden an Euros jährlich dafür ausgeben (der Deutsche Coachingverband bspw. geht laut des Artikels von Anette Dowideit mindestens von einer halbe Milliarde Euro pro Jahr aus). Doch diese unsere Sehnsucht ist zugleich unklar und diffus. Sie ist eine kollektive Sucht, ein kollektiver Schmerz.

Wir haben gelernt, dass wir uns durch viele Arten von Konsum betäuben, beruhigen und aufheitern können.

Doch unsere Befreiungsschläge sind lediglich temporärer Natur. Ihren wirklichen Sinn finden die wenigsten von uns. Also konsumieren wir weiter. Einige von uns greifen zu tatsächlichen Drogen, legalen wie illegalen, andere shoppen, manche werden sport- oder sexsüchtig. Eine neuere Droge, die Wohlstandsdroge der Bildungshungrigen – derer, die sich wirklich sinnstiftend einbringen wollen, anstatt sich fortwährend wegzubeamen – ist die der Persönlichkeitsentwicklung. Wir konsultieren Ratgeberbücher, Youtube-Videos und Podcasts, besuchen Vorträge und Workshops, Retreats und Coachings. Und nur manchmal werden wir fündig.

Und weil dieser unser kollektiver Schmerz so groß ist und so oft gepaart mit einem weiteren gefühlten (Geld-)Mangel verbunden, machen sich das manche Menschen zu nutze.

Die Nestbeschmutzer*innen

Natürlich es gibt sie – leider – auch und vor allem in dieser Coaching-Szene, die Chaka-Chaka-Rufer*innen, die Worthülsenverbreiter*innen. Die krassesten von ihnen versprechen inhaltsleer fünfstellige Umsätze binnen weniger Tage (als wenn es nur darum ginge).

Die krassesten von ihnen, sie sind die Netzbeschmutzer*innen dieser Branche. Sie missbrauchen an sich gute Kommunikationswerkzeuge. Sie schüren den Argwohn.

Sie sind – als Folge der Mechanik unseres Wirtschaftssystems – mit verantwortlich dafür, dass für die meisten von uns Liebesbekundungen zu reinen Lippenbekenntnisse verkümmern, dass viele von uns unseren Glauben und unseren Sinn immer mehr verlieren anstatt ihn neu zu finden.

Wir brauchen es so sehr anders, und es geht auch anders!

Genau deshalb dürfen wir den konstruktiven Gebrauch dieser häufig missbrauchten Kommmunikations-Werkzeuge neu lernen – von Menschen (Coaches! Speaker*innen! Trainer*innen! Therapeut*innen! Lehrer*innen! uvm.), die gut – und zwar zum Wohle aller – damit umzugehen verstehen und dabei einer klaren Ethik folgen.

  • Wer könnten WIR alle miteinander sein, wenn wir unsere kommunikativen Möglichkeiten sinnstiftend und wertschätzend verwenden?
  • Was könnten wir dann erschaffen?

Upcoming: Eine neue Form von Persönlichkeits-Begleiter*innen

Diese Formen von Persönlichkeitsentwicklung und Potenzialentfaltung, die diese Namen wirklich verdienen, sind in unseren Zeiten essentiell notwendig. Und ja, ich beobachte, dass es einigen Menschen in der Coaching-Szene seit einiger Zeit immer mehr ein Anliegen wird, mit ihren Werkzeugen und Fähigkeiten einen Beitrag dazu zu leisten, auf dass auch nachfolgende Generationen ebenfalls ein gutes Leben genießen dürfen. Einige von ihnen werden sich der Mächtigkeit dieser Werkzeuge immer bewusster. Sie laden dazu ein, sie nicht nur für das eigene Wohl, sondern für das Wohl aller Wesen zu nutzen.

Zu diesen Menschen – und damit lehne ich mich weit aus dem Fenster – zähle ich auch Tobias Beck, gerade DEN Tobias Beck, zu dem er in meiner Wahrnehmung – vor allem in den letzten Monaten geworden ist.

Zu diesen Menschen gehören für mich übrigens auch Veit und Andrea Lindau mit ihrer Plattform homodea und Laura Malina Seiler (die bspw im Rahmen des globalen Klimastreiks am 20.09.2019 eine Week 4 Climate ausrief), um nur drei weitere bekanntere Namen zu nennen. Bei den dreien weiß ich sehr sicher, dass ihre Intention eine tiefere ist, als nur „Geld zu machen“. Auch Stephan Landsiedel mit seiner Weltretter-Initiative zähle ich übrigens dazu. Und ja: bei jedem dieser genannten Menschen mögen auch ihre Geldschatten wie auch weitere Schattenaspekte mitschwingen, doch dies ist eine kollektive Thematik, die sich in individuell spiegelt. Niemand von uns ist frei davon.

„Du bist doch naiv! Das ist doch nur ein neues Marketing-Ding, die satteln doch nur auf diesen „Fridays for Future“-Zeitgeist auf. Die wollen doch nur noch mehr Kohle machen“,

magst Du nun einwenden, und ich packe damit gleich einige Argumente zusammen, deren Reaktion ich schon erahne.

Ich glaube vielmehr, dass dieses Contra individuelle und kollektive Glaubenssätze in sich birgt, die tief in uns sitzen und dringender Heilung bedürfen. Gerade deswegen ist es so wichtig, dass noch viel mehr Menschen Werkzeuge gelingender Kommunikation und Potenzialentfaltung lernen – um diese individuellen und kollektiven Schatten Schritt für Schritt aufzulösen. Siehe oben.

Wanted: Tobias Beck?

Was in Tobias Becks Seminaren en detail passiert, vermag ich nicht zu sagen, denn ich habe bisher keines besucht. Doch ich habe selbst schon provokative Sharings erfahren – und weiß, was sie mit mir gemacht haben. So einige Male hat das fett geschmerzt, mich Tränen gekostet, mich heftigst durchgeschüttelt. Im Nachhinein bin ich sehr dankbar für diese heilenden Prozesse, denn sie haben mich – in meiner Wahrnehmung – reifen lassen.

Mach den Mund auf! Eine Keynote von Tobias Beck, die es in sich hat

So schemenhaft ich seine Arbeit also kenne, beobachte ich bei Tobias Beck – wie auch bei den bereits genannten Kolleg*innen – eine bemerkenswerte Entwicklung, die mich berührt und für die ich stellvertretend eine Keynote teile, die Tobias Beck vor einigen Monaten gehalten hat.

Ich bitte Dich, genau hin zu hören und Dir Dein eigenes Bild zu machen. Für mein Empfinden ist Tobias Beck hier insgesamt zu laut und zu wenig differenziert. Das ist aber mein ganz persönliches Empfinden – mich holt eine andere (An-)Sprache mehr ab. Doch ich denke, dass Tobias genau mit diesem Setting sehr viele Menschen erreicht – und das ist gut so. Es braucht vermutlich diese Vehemenz.

Tobias´ Grundtenor insgesamt zeugt von diesem Bewusstsein der Selbstverantwortung, das auch ich teile: Ihm ist es – in meiner Wahrnehmung – ein tiefes, wirklich wahrhaftiges Anliegen, dass DU aufstehst, dass DU einstehst für Deine Werte, dass DU und ICH, dass WIR alle gemeinsam unseren Beitrag leisten, auf dass wir gemeinsam die Welt erschaffen, die wir uns wünschen. Dass wir wach werden.

(EDIT) – Ich mag noch ein Learning mit Dir teilen, dass mir in den vergangenen Tagen erst klar geworden ist, nachdem ich noch weiter darüber reflektiert habe. In dem Video, das ich hier teile, schildert Tobias, wie es ihn freut, dass seine Tochter den Satz „Ich bin ein Gewinner“ ausspricht, wenn ihr etwas gelingt. Das hat mich getriggert. Grundsätzlich finde ich das toll. Ich fänd hier nur Formulierungen à la „Ich bin richtig oder ich bin wundervoll, ich bin großartig besser.“ besser. Denn das Wort „Gewinner“ bedeutet für mich immer, dass es andere Menschen verlieren müssen. Doch mir ist klar geworden, dass das ja gar nicht so sein muss. Wie wäre es, wenn es ausschließlich Gewinner gibt?

Noch eine zweite Sache, die mich im Video etwas triggert: Das Image-Video seiner „Young Stars of Personality“, das Tobias während seines Vortrages einstreut. Ich finde Tobias Initiative hier großartig und sehr, sehr wichtig, und ich finde, er kann zu Recht stolz darauf sein. Doch für mein Empfinden ist das etwas zu dick aufgetragen. (Aber vielleicht ist das auch nur ein persönliches Ding).

Wovon die Fische leben…

Sehr berührt hat mich eine weitere Geschichte von Tobias Beck. Sie war überhaupt der Auslöser dafür, dass ich erstmals genauer hingeschaut habe, was Tobias Beck so treibt. Darin schildert er, wie er eines Urlaubsmorgens in Thailand gemeinsam mit seinem kleinen Sohn ans Meer geht, um die Fische zu beobachten.

„Was essen die Fische?“, fragt der Sohn seinen Papa.

Der antwortet: „Ich weiß es nicht.“

Nach kurzem Schweigen meldet sich der Sohn wieder zu Wort: „Du, Papa, ich glaube, ich habs rausgefunden: Es ist Plastik!!!“

Woraufhin der Papa, Tobias Beck, mit Entsetzen erstmals bewusst versteht und endlich die Plastikflut entdeckt, die da im Meer herumschwimmt…

Dann trifft Tobias Beck eine Wahl: Die Erlöse seiner Bücher sollen zukünftig der Stiftung The Ocean Cleanup zu Gute kommen.

Nun stelle ich Dir wieder die Frage: Glaubst Du, dass DAS eine Marketing-Masche ist?

Glaubst Du, dass jemand diese Geschichte aus purem Kalkül erzählt, nur um Kohle zu machen und zu manipulieren, sich in ein positives Licht zu stellen?

Nenn mich ruhig naiv, doch ich wehre mich zutiefst gegen diese Unterstellung, von der übrigens der komplette Artikel von Anette Dowideit unterminiert ist, so sehr sie ihn auch mit Fakten und gut recherchierten Informationen hinterlegt.

Bei anderen schwarzen Schafen der Branche könnte ich derart scharfe Kritik vielleicht verstehen. Doch gerade Tobias Beck ist für mich einer der Vertreter*innen der Coachingszene, die wirklich verstehen, was auf dem Spiel steht. Einer, der seine Arbeit verändert und sie immer bewusster fürs Gemeinwohl einsetzt. Und ja: Er verdient dabei AUCH gutes Geld. Deshalb ist es für mich in gewisser Hinsicht äußerst bemerkenswert, dass gerade dieser Tobias Beck mit der Entwicklung, die er derzeit vollzieht, in dieser heftigen Form „runtergeschrieben“ wird.

Ich nehme hier bei einigen Coaching-Pionier*innen – u.a. Tobias Beck – positive Ansätze, zarte Pflänzchen wahr. Jetzt, wo sie gerade aufkeimen, dürfen sie nicht kaputt getreten werden. Sie werden so sehr gebraucht.

Übrigens: Natürlich sind nicht nur diese Coaching-Pionier*innen vonnöten.

Sie sind „nur“ EIN Teil der Lösung, ein Teil des neuen Wir.

Außerdem sind diese Coaching-Pionier*innen selbstverständlich NICHT die Glücksbringer*innen, nach denen die Überschrift dieses Artikels fragt. Unsere Glücksbringer*innen sind unsere gemeinsamen Anliegen, in meiner Überzeugung sind dies die globalen Nachhaltigkeitsziele. Denn SIE weisen den Horizont hin zur Welt, die wir uns wünschen. Sie vermögen uns dorthin zu (ver-)führen. Wenn wir zu folgen bereit sind.

Denn: Es braucht uns ALLE GEMEINSAM.

Mit- und füreinander einstehend statt gegeneinander argumentierend. Uns miteinander verbindend statt trennend und belehrend. Es braucht uns in unserer ganzen Vielfalt, Menschen aus allen Disziplinen. Wenn uns dieses neue Miteinander gelingt, dann können wir auch den Wandel vollbringen, nach dem wir wie auch die Erde so sehr lechzen.

Hier nun das Video von Tobias Beck – lass Dich von seiner Vehemenz nicht abschrecken, sondern von der tieferliegenden Botschaft seiner Worte berühren: