Die aktuellen Wahlprogramme fünf „großer“ demokratische Parteien, die für den Bundestags kandidieren, zum Thema Klimaschutz im Überblick

Du stimmst mir sicher zu: uns stehen immens wichtige Wahlen bevor, die sogar manch einer als Jahrhundertwahlen bezeichnet.

Diesen Sonntag, 12. September, stehen hier in Niedersachsen Kommunalwahlen an, am 26.09. gibt es Kommunalwahlen.

Eines der wichtigsten Wahlkriterien ist sicherlich, wie die Parteien es mit dem Klimaschutz handhaben, denn dieses Thema dürfen wir nicht weiter vertrödeln, wir müssen JETZT handeln und Weichen stellen.

Fakt ist: Laut dem Sachverständigenrat für Umweltfragen dürfen wir nur noch rund elf Jahre CO2 ausstoßen, vorausgesetzt, wir reduzieren diesen Ausstoß kontinuierlich. Agieren wir so, haben wir eine zumindest eine 50-prozentige Chance gewahrt, die Pariser Klimaschutzziele und damit das 1,5 Grad-Ziel einhalten zu können. Tun wir das nicht, drohen u.a. immer heftigere Wetterextreme, das Ansteigen des Meeresspiegels und weitere Erderwärmung. Dieser Sommer hat nur einen kleinen Vorgeschmack davon geliefert.

Der Klimawandel bedroht die Zukunft unserer Kinder

Nun ließe sich mutmaßen, dass mittlerweile alle Parteien in punkto Klimaschutz aufgewacht sind, gerade weil ja vor kurzem das Bundesverfassungsgericht die Bundesregierung angewiesen hat, das im Dezember 2019 beschlossene Klimaschutzgesetz nachzubessern. Doch auch wenn die Bundesregierung ihr Klimaschutzgesetz daraufhin verschärft hat (u.a. Klimaneutralität bis 2045) und auch wenn alle Parteien sich zum Einhalten des 1,5 Grad-Ziels bekennen, unterscheiden sich die Wahlprogramme doch erheblich voneinander. Es ist also gut, beim Thema Klimaschutz genau zu schauen, welche Parteien was vorhaben – oder auch nicht.

Podcast „Allgemein gebildet“: die Positionen der Parteien zum Klimaschutz

Basierend auf der fantastischen Folge des Podcasts „Allgemein gebildet“ von Sally Lisa Starken und Ralph Ruthe sowie mit nochmaligem Nachchecken in den Wahlprogramm gebe ich Dir hier einen Überblick über die Klimaschutz-Positionen der fünf demokratischen Parteien, die bei den Kommunalwahlen und den Bundestagswahlen zur Wahl antreten. Zugleich gebe ich in Kurzform die wissenschaftliche Einordnung der Wirtschaftswissenschaftlerin Prof. Dr. Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) wieder, die sie im Podcast abgegeben hat.

CDU/CSU – Positionen zum Klimaschutz
im Wahlprogramm „Das Gute besser machen“
Klimaneutral bis wann? bis 2045
Kohleausstieg? bleibt bei 2038
Energiewende wie? · Ausbau der erneuerbaren Energien und Senkung von Emissionen. Hierbei aber nicht näher beschrieben, wie das erfolgen soll.

· Preise aus klimaschädlichen Produkten sollen weiter steigen. Dies ist aber nicht näher spezifiziert. Mit diesen Einnahmen sollen Strompreise gesenkt werden.

· Unklar, ob Ausstieg aus Gas erfolgen soll.

Verkehrswende wie? · Nicht näher spezifiziert.

· Kein Verbot der Verbrennungsmotoren vorgesehen.

· Vehemente Ablehnung von Tempolimits

Weitere Maßnahmen / Sonstiges Es gibt innerhalb der CDU/CSU eine Klimaunion, die deutlich ambitioniertere Maßnahmen vertritt. Jedoch wurde offensichtlich keine dieser Maßnahmen in das Wahlprogramm integriert.
Finanzierung · Relativ unklar und vage formuliert.

· „Wirtschaftswachstum und Klimaschutz sollen sich miteinander verbinden.“

· Keine Festlegung, wie schnell und wie hoch die Co2-Bepreisung erfolgen soll.

· Verstärkung des europäischen Emissionshandels

Einschätzung Claudia Kemfert
(im Podcast „Allgemein gebildet“, Folge vom 04.08. „Klimaneutralität in Deutschland“, Minute: 18.53 – 20.53
„Die von der CDU angestrebten Emissionsminderungsziele sind nicht kompatibel mit den Pariser Klimaschutzzielen – weder, was die Schnelligkeit noch was die Treffsicherheit der Maßnahmen angeht. Das Programm bleibt vage und ungenau. Eigene Ambitionen zum Klimaschutz sind nicht erkennbar.“

 

 

SPD – Positionen zum Klimaschutz
im „Zukunftsprogramm“
Klimaneutral bis wann? bis 2045
Kohleausstieg? bleibt bei 2038
Energiewende wie? · Bis 2040 soll der gesamte Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen werden.

· Hierfür sind keine konkreten Ausbauziele festgeschrieben. Dies soll zwischen Bund, Ländern und kommunalen Akteuren ausgehandelt werden

· Von der Energiewende sollen Bürger*innen vor Ort profitieren.

· Die EEG-Umlage wird abgeschafft. (Mit dieser Umlage finanziert sich die Energiewende bisher; sie wird von allen Bürger*innen bezahlt.)

Verkehrswende wie? · Massiver Ausbau der E-Mobilität: In neun Jahren sollen mindestens 15 Millionen PKW voll elektrisch fahren. (Bisher sind es noch nicht mal eine halbe Million.)

· Bahnfahren soll durch schnellen Ausbau von Schienennetzen und durch Modellprojekte wie das „365 Euro“-Ticket in Europa billiger und attraktiver werden.

· Tempolimit auf Autobahnen: 130 km/h

Finanzierung · Der CO2-Preis soll nicht stärker steigen als bisher.

· Es soll ein „Pro Kopf“-Bonus eingeführt werden, so dass Bürger*innen mit niedrigem CO2-Verbrauch Geld zurück bekommen.

· Vermieter*innen sollen stärker an Sanierungskosten für ihre Wohnungen beteiligt werden.

Einschätzung Claudia Kemfert (im Podcast „Allgemein gebildet“, Folge vom 04.08. „Klimaneutralität in Deutschland“, Minute: 22.45 – 24.30) „Die Klimaziele der SDP sind nicht auf das 1,5 Grad-Ziel ausgerichtet. Dazu reichen die Emissionsminderungsziele, die sich die Partei vorgenommen hat, nicht aus. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind zwar ambitionierter als die der CDU, aber immer noch zu zaghaft, um die Klimaziele wirklich erfüllen zu können.“

 

 

Die Grünen – Positionen zum Klimaschutz
im Wahlprogramm „Deutschland. Alles drin“
Klimaneutral bis wann? bis 2040
Kohleausstieg? bis spätestens 2030
Energiewende wie? · Angestrebt: 100 Prozent Versorgung durch erneuerbare Energien bis 2035. Solardächer und Fotovoltaikanlagen sollen zum Standard gemacht werden. Windkraftanlagen im Land und auf See sollen konsequenter ausgebaut werden.

· Sanierungsoffensive bei Gebäuden. Forcieren der Wärmewende durch Investitionsprogramm, Volumen: 7 Milliarden Euro

Verkehrswende wie? · Verbot von Verbrennern ab 2030.

· Ende von Steuervorteilen für PKW-Nutzung

· Ausbau des Schienennetzes, Investment 100 Milliarden Euro bis 2035, Ausbau ÖPNV und Einführung eines Mobilpasses

· Ausbau von Radwegen

· Kurzstreckenflüge werden nicht verboten, sie sollen bis 2030 überflüssig werden, da bspw. das Schienennetz der Bahn bisher

· Schifffahrt klimafreundlicher gestalten (aber keine konkreten Maßnahmen genannt)

Besonderheiten · Das Thema Klimaschutz zieht sich durch das gesamte Wahlprogramm und wird als Querschnittsaufgabe angesehen. Die Grünen wollen hierfür ein eigenes Ministerium einrichten, das gegenüber allen Gesetzen ein Vetorecht innehat.

· Kommen „Die Grünen“ in die Regierung, wollen sie ein Klimaschutzsofort-Programm auflegen.

Finanzierung · Zur Finanzierung ihres umfangreichen Programms wollen „Die Grünen“ die Schuldenbremse aufheben.

· Das Klimaschutzsofort-Programm soll bspw. eine Investitions-Offensive von 25 Milliarden beinhalten.

· „Die Grünen“ wollen den Anstieg des CO2-Preises um etwa zwei Jahre beschleunigen – auf 60 Euro pro Tonne bis 2023. Die Einnahmen werden durch eine Pauschale an die Bürger*innen zurückgezahlt, bedeutet: reichere Menschen, die in der Regel mehr ausstoßen, werden stärker belastet.

Einschätzung Claudia Kemfert

(im Podcast „Allgemein gebildet“, Folge vom 04.08. „Klimaneutralität in Deutschland“, Minute: 26.21 – 27.32)

„Die Grünen haben ein detailliertes, transparentes und ehrliches Programm für Klimaschutz. Das 1,5 Grad-Ziel wird so erreicht werden können, wenn die Maßnahmen tatsächlich realisiert werden. Das Programm setzt wichtige Akzente für Klimaschutz in allen Bereichen. Es ist insbesondere hervorhebenswert, dass die Grünen eine Finanzwende skizzieren, die andere Parteien überhaupt nicht adressieren.“

 

 

FDP – Positionen zum Klimaschutz
im Wahlprogramm „Nie gab es mehr zu tun“
Klimaneutral bis wann? bis 2050 – damit ist die FDP die einzige Partei, die die Klimaziele abschwächt
Kohleausstieg? Nicht festgelegt
Energiewende wie? Die FDP setzt fast ausschließlich auf marktwirtschaftliche Mechanismen und legt ihre Hoffnungen in Innovationen.
Verkehrswende wie? · Kein Verbot von Verbrennern

· Vehemente Ablehnung von Tempolimits

· Ansonsten: Die FDP setzt fast ausschließlich auf marktwirtschaftliche Mechanismen und legt ihre Hoffnungen in Innovationen.

Finanzierung · Die FDP sieht vor, dass alle in der Zukunft ausgestoßenen Emissionen einem Handel unterliegen. Der bestehende Emissionshandel der EU soll sich auf alle Sektoren und alle Länder ausweiten. Staaten legen dann fest, wie viel sie emittieren wollen und müssen sich Zertifikate kaufen.

· Auf diese Weise soll sich der CO2-Preis selbst regulieren. Doch wenn hierbei der Zeithorizont der Pariser Klimaschutzziele wirklich berücksichtigt wird, würden die CO2-Preise rasant in die Höhe schnellen – vermutlich bei 180-200 Euro pro Tonne.

Einschätzung Claudia Kemfert
(im Podcast „Allgemein gebildet“, Folge vom 04.08. „Klimaneutralität in Deutschland“, Minute: 28.38 – 30.20)
„Die FDP bekennt sich grundsätzlich zum Klimaschutz und will sich offenbar am CO2-Budget orientieren, bleibt aber in den Zielen eher vage.  Sie legt eher ein Programm der Undeutlichkeit, Intransparenz, der Verlagerung und Verschiebung vor. Ob so die Klimaziele erreicht werden, ist sehr fraglich. Das Programm ist unglaubwürdig.“

 

Die Linke – Positionen zum Klimaschutz
im Wahlprogramm „Zeit zu handeln“
Klimaneutral bis wann? bis 2035 – damit legt „die Linke“ den ambitioniertesten Zeithorizont fest
Kohleausstieg? Bis 2030
Energiewende wie? ·  Der Energiesektor soll komplett umgebaut werden. Bis 2035 soll die gesamte Stromversorgung über erneuerbare Energien erfolgen.

·  Solarpflicht für alle Neubauten

Verkehrswende wie? ·  Für die Bahn und den Ausbau des Schienennetzes sollen fünf Mal so viel Gelder bereit gestellt werden wie bisher.

·  Perspektivisch soll der ÖPNV für alle kostenlos werden. Übergang: für alle gibt es ein 365 Euro-Tagesticket. Geringverdienende, Schüler*innen etc. sollen weiter entlastet werden

·  Kurzstreckenflüge (bis 500 km) soll spätestens 2030 verboten werden.

Besonderheiten · Die Linke legt einen besonderen Schwerpunkt auf Klimagerechtigkeit.

· Dazu sollen die großen Energiekonzerne entmachtet werden. Die Energie soll wieder in Bürger*innenhand und in öffentliche Betriebe oder Genossenschaft überführt werden.

Finanzierung · Einrichtung einer Vermögenssteuer

· Abbau von Subventionen für Kohle, Öl und Gas

· Anleihenkäufe bei der europäischen Zentralbank

· Der CO2-Preis soll erst einmal nicht steigen.

Einschätzung Claudia Kemfert

(im Podcast „Allgemein gebildet“, Folge vom 04.08. „Klimaneutralität in Deutschland“, Minute: 32.12 -33.14)

„Dieses Wahlprogramm ist das ambitionierteste neben dem der Grünen. Hiermit könnte das 1,5 Grad Ziel durchaus erreichbar sein. Der besondere Schwerpunkt von „die Linke“ liegt auf der sozialen Gerechtigkeit. Durch die Abschaffung fossiler Subventionen und die Einrichtung einer Vermögenssteuer können große Staatseinnahmen erzielt werden. Dies ist ein Programm der vollen Transformation und der Umverteilung von reich zu arm, das natürlich auch politischen Sprengstoff birgt. Es ist sehr ernsthaft.“

 

Hauptquelle:

Die aktuellen Wahlprogramme der fünf demokratischen Parteien zum Thema „Klimaschutz“ im Überblick – basierend auf der Folge „Klimaneutralität“ des Podcasts „Allgemein gebildet“ von Sally Lisa Starken und Ralph Ruthe:

https://open.spotify.com/episode/7KfZk9XNYHVhPCUx0pKuWL

 

PS:
Kurz noch zu zwei Parteien, deren Programme zur Thematik ich im Artikel nicht skizziere:

  • Die AfD lehnt dezidierte Maßnahmen zum Klimaschutz ab und zweifelt eine Existenz des Klimawandels an.
  • Die Partei „Die Basis“, frisch gegründet, und mit viel Zulauf – sicher auch in homodea-Kreisen – hat bisher noch kein richtiges Programm auf die Beine gestellt, eher eine Absichtserklärung mit vielen schönen Worten, die kürzer ist als dieser Artikel, daher lässt sich hier nichts Fundiertes über die Position der der Partei zum Thema wiedergeben. Diese darf erst noch gefunden werden. Hier zwei Artikel über die Basis – Überblick und Interview mit der Vorstandsmitglied Diana Osterhage